Eine vieldiskutierte Forderung lautet: Nehmt den Kindern die Handys weg, zumindest in der Schule. Eine neue Studie der Uni Augsburg bestätigt diesen Ansatz und bescheinigt einem Handyverbot positive Effekte. Der Wunsch ist, die Schule als „Safe Space“ zu gestalten, aber was passiert dann außerhalb der Schulgebäude? Für den Alltag der Familien ist dieser Ansatz nicht hilfreich.
Aus unserer medienpädagogischen, handlungsorientierten Perspektive ist daher ein generelles Handyverbot an Schulen nicht zielführend. Die konkreten Gründe dafür und die mögliche Alternative erläutern wir hier:
1) Niemand kann etwas erlernen, wenn es verboten ist.
Kinder und Jugendliche müssen den Umgang mit dem Smartphone erlernen, dieser Punkt ist unumstritten. Fraglich ist nur, wie dieser Lernprozess sinnvollerweise gestaltet werden kann. Unserer Meinung nach ist es jedoch unmöglich, etwas zu erlernen, was nicht genutzt werden darf. Wer schwimmen lernen will, muss ins Wasser, und wer einen Fahrradführerschein macht, muss dazu ein Fahrrad nutzen. Auch diese Lernprozesse sind mit Gefahren verbunden, aber dennoch unausweichlich. Da sich auch die Nutzung eines Handys nicht in abstrakter Form erlernen lässt, ist die begleitete, angeleitete Nutzung von Handys alternativlos.
2) Die Schüler*innen sollen fürs Leben lernen, nicht nur für die Schule.
Ein oft gehörtes Argument lautet, dass die Schule zahlreiche andere Aufgaben habe und die Medienkompetenzvermittlung daher von den Eltern übernommen werden müsse. Dies greift aus unserer Perspektive jedoch zu kurz, da sich das Schulsystem damit seinem ganzheitlichen Bildungsauftrag entzieht. Zudem sind Eltern keine medienpädagogischen Expert*innen, während Lehrkräfte durchaus zur Wissensvermittlung ausgebildet sind. Es ist daher an der Zeit, medienpädagogische Inhalte fest in den Lehrplänen zu verankern, die Lehrkräfte entsprechend zu schulen und adäquate Materialien bereitzustellen, um Medienkompetenz zu unterrichten, anstatt diese Aufgabe ans Elternhaus zu delegieren.
3) Ein modernes, lebensweltorientiertes Bildungssystem muss die Potentiale digitaler Technik nutzen.
Smartphones, Tablets oder Laptops können nützliche Lernwerkzeuge sein, die den Zugang zu Lernmaterialien und Informationen erleichtern und die Kommunikation in der Schulgemeinschaft vereinfachen. Dieser Potentiale sollte sich das Bildungssystem nicht berauben, sondern nach einer sinnvollen Einsatzmöglichkeit suchen. Die derzeit oft favorisierte Anschaffung von Laptop- oder Tablet-Klassensets auf Kosten der Träger (bei gleichzeitigem Verbot privater Geräte) ist langfristig jedoch enorm kostenintensiv und wenig nachhaltig. Ein anderer interessanter Weg ist z.B. die Nutzung einheitlicher privater Geräte mit identischer Software-Ausstattung, um gemeinsam auf gleichem Niveau arbeiten zu können. Eine gleichzeitige Fördermöglichkeit für finanziell schwächere Familien trägt zur Chancengleichheit bei und ist dennoch kostengünstiger als eine Komplett-Ausstattung auf Kosten der Träger. In jedem Fall sollte das Schulsystem die technischen Potentiale und die inhaltlichen Chancen digitaler Technik nutzen, anstatt sie zu verbieten.
Fazit und Alternativ-Vorschlag:
Natürlich sind klare Regelungen wichtig, um die Nutzung von Smartphones in bestimmten Situationen zu reglementieren oder einzuschränken, dieser Meinung schließen wir uns an. Diese Regelungen können den Datenschutz und die Privatsphäre betreffen, die Nutzung der Kommunikationswege, der Umgang mit Gaming oder Streaming sowie allg. die private Nutzung in der Schule. Es müssen Regeln und Grenzen festgelegt werden, die die Ablenkungspotentiale minimieren und ein respektvolles Miteinander fördern. Ein schulisches Medienkonzept und fächerübergreifende Medienkompetenzförderung sind dazu zwei mögliche Ansätze, die von Schulen umgesetzt werden sollten.
Ein generelles Verbot von Smartphones an Schulen kann jedoch nicht der richtige Weg sein. In der eingangs zitierten Übersichtsstudie der Universität Augsburg wird vorgeschlagen, das Handyverbot „mit Bildungsmaßnahmen zu kombinieren, die die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler fördern“.
Unser Vorschlag ist, den gegenteiligen Weg einzuschlagen: Die Bildungsmaßnahmen müssen mit einer begleiteten Handynutzung kombiniert werden. Das Schulsystem muss Methoden und Materialien entwickeln, um Tipps zur richtigen Mediennutzung in den Unterricht einzubinden. Nur so lässt sich Medienkompetenz konsequent, alltagsnah und lebensweltbezogen vermitteln.