Seit in Australien ein Verbot sozialer Medien für Jugendliche unter 16 Jahren beschlossen wurde, wird auch in Deutschland intensiv über dieses Thema diskutiert. Doch welche Gründe sprechen für, welche gegen eine solche Maßnahme? Und zu welcher Einschätzung kommen wir als medienpädagogische Facheinrichtung? Darüber möchten wir mit diesem Text informieren.
Worum geht es?
Die Ausgangsposition ist zunächst ein klassisches Dilemma: Das Anliegen von Kindern und Jugendlichen ist es, sich online zu betätigen und die diversen Kommunikations- und Informationsangebote aktiv zu nutzen. Sie unterscheiden nicht zwischen „real“ und „virtuell“, da sich das reale Leben im digitalen Raum fortsetzt und sie daran teilhaben möchten.
Für viele Eltern und pädagogische Fachkräfte überwiegen hingegen die problematischen Aspekte, die zweifellos mit der Social-Media-Nutzung verbunden sind, z.B. die Konfrontation mit Hass und Hetze, mit Desinformation und Propaganda sowie die Frage nach „gesunder Bildschirmzeit“ und exzessiver Mediennutzung.
Die zentrale Frage ist dabei, wie die Eltern und Pädagog*innen die Heranwachsenden in ihrer Mediennutzung altersgerecht und kompetent unterstützen können, ohne deren Bedürfnisse zu missachten. Nötig ist also ein guter Kompromiss, der beide Seiten zufriedenstellt.
Was können Eltern tun?
Pauschale Empfehlungen für die Medienerziehung sind immer schwierig, da jeder Mensch ein Individuum ist und jede Familie ihre eigenen Regeln finden muss. Wir haben hier dennoch ein paar allgemeine, grundlegende Tipps, die aus medienpädagogischer Sicht hilfreich sind:
- Altersgrenzen festlegen: Die Eltern müssen für ihre Kinder entscheiden, ab wann diese ein „eigenes Handy“ und einen Zugang zum Internet bekommen. Empfehlenswert finden wir den Einstieg über ein „Spielhandy“, das z.B. nur Kinder-Apps und -Suchmaschinen beinhaltet. Weitere Apps wie Social Media-Tools und Messenger können später installiert werden.
- Zeitlimits beachten: Ein übermäßiger Medienkonsum muss natürlich vermieden werden, daher sollten die Eltern ihren Kindern von klein auf Grenzen setzen und auf die Bildschirmzeiten achten, die mit zunehmendem Alter angepasst werden sollten. Zu Zeitgrenzen gibt es z.B. Tipps der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
- Kontakte im Blick haben: Mit wem chattet mein Kind, und mit welchen Personen hat es online Kontakt? Prinzipiell sollten Kinder nie mit Fremden chatten, sondern nur mit Menschen, die sie persönlich kennen. Bei jüngeren Kindern müssen die Eltern im Blick haben, welche Kontakte online gepflegt werden.
- Kinderkonten einrichten: Eine hilfreiche Unterstützungsmöglichkeit für Eltern sind spezielle „Kinderkonten“, die sich mittlerweile in vielen Social-Media-Diensten einrichten lassen. So können Eltern und Erziehungsberichtigte ihre Kinder kontrollieren und die Konten verwalten. Detaillierte Anleitungen liefert die Seite Medien-kindersicher.
- Hochwertige Inhalte nutzen: Eine weitere wichtige Komponente sind die Inhalte, die online konsumiert werden. Es gibt im Web und bei Social Media zahlreiche hochwertige Inhalte, aber leider auch viel Digital-Schrott. Auch hier gilt es, auf die Inhalte zu achten – empfehlenswerte Angebote finden sich z.B. beim Pädagogischen Medienpreis.
Was spricht gegen ein Verbot von Social Media?
Das australische Modell, das ein striktes Verbot von Social-Media-Diensten für Jugendliche unter 16 Jahren vorsieht, finden wir aus mehreren Gründen problematisch.
Verbotene Früchte schmecken bekanntlich am besten, und digitale Dienste verschwinden nicht aus der Welt, nur weil sie verboten sind. Ein Verbot kann immer mithilfe technischer Maßnahmen umgangen werden, eine digitale Altersverifikation ist mit großem Aufwand verbunden und aus Datenschutzgründen heikel – oder wie sehr vertrauen Sie den Herren Zuckerberg, Musk & Co.?
Hinzu kommt das Problem, dass für große Angebote wie TikTok, Insta und YouTube eine Altersüberprüfung vorgeschrieben werden könnte, aber für zahllose kleine Angebote, die wie Pilze aus dem Boden sprießen würden, wäre dies weder umsetzbar noch überprüfbar. Die Politik müsste auf neue Angebote mit stets neuen Verboten reagieren – so würde ein endloses Hase&Igel-Spiel beginnen. (Interessanterweise sollen in Australien die Messenger und Gaming-Portale nicht verboten werden, was wir enorm inkonsequent finden.)
Zudem wäre ein komplettes Social-Media-Verbot ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention, worauf die Bundezentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) hinweist. Sie schreibt: „Kinder haben gemäß Artikel 17 der UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Teilhabe an Medien. Dazu gehören heute auch soziale Medien.“ (bzkj.de)
Unser Fazit
Medienkompetenz fördern, statt Mediennutzung zu verbieten – das muss unserer Ansicht nach der Leitgedanke einer zeitgemäßen Medienerziehung sein.
Wir können Probleme nicht lösen, indem wir sie wegsperren, da wir sie dadurch nur in den unsichtbaren oder illegalen Raum verschieben, anstatt uns ernsthaft damit zu beschäftigen. Ein Verbot kann auch zur wirkungslosen Symbolpolitik verkommen, wenn es nicht konsequent umsetzbar ist.
Unser Fachverband, die GMK (Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur) verweist in ihrer Stellungnahme zudem auf die „Schaffung sicherer digitaler Räume“ und plädiert dafür, die Plattformanbieter in die Pflicht zu nehmen, damit diese wirksam gegen Hassrede, überfordernde Inhalte und problematische Mechanismen vorgehen. Zudem liegt uns in der GMK die „Einbeziehung der jungen Menschen“ am Herzen, deren Interessen berücksichtigt werden müssen. (gmk-net.de)
In diesem Sinne rufen wir alle Beteiligten auf, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen wie von Erwachsenen berücksichtigen. Der pädagogische Dreiklang aus „Verboten“ für kleine Kinder, „Förderung“ von Heranwachsenden und einer „Begleitung“ von Jugendlichen ist unserer Ansicht nach ein realisierbarer und erfolgversprechender Ansatz.