Motivierende Beteiligungsformate für die digitale Demokratie:
17. Gautinger Internettreffen zu Potentialen aktiver Teilhabe

 

Unter dem Titel „spread the word!“ widmete sich das 17. Gautinger Internettreffen am 15./16. März 2016 den Potentialen aktiver Teilhabe an der digitalen Gesellschaft. Im Laufe der Tagung stellte sich wiederholt die Frage, ob der Aufruf zum Teilen und Partizipieren immer uneingeschränkt positiv ist: Vor dem Hintergrund aktueller Erfolge rechtspopulistischer Bewegungen (im Netz wie auch bei Wahlen) wurden verschiedene Facetten partizipativer Medien diskutiert. Im Mittelpunkt des Internettreffens standen aber die positiven Seiten von Beteiligungsmöglichkeiten in Bildung und Jugendarbeit, die aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet und anhand zahlreicher Praxisbeispiele illustriert wurden.

Das Gautinger Internettreffen ist eine jährlich stattfindende Fachtagung des Instituts für Jugendarbeit Gauting und des SIN – Studio im Netz, München, in Kooperation mit dem Pädagogischen Institut des Referats für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München. Die Tagung setzt sich mit wechselnden Themenschwerpunkten auseinander und beschäftigte sich diesmal mit partizipativen Online-Angeboten.

Am 17. Internettreffen nahmen rund 100 Fachkräfte aus der Medienpädagogik, der Jugendarbeit und der Schule teil. Die Plenumsvorträge sind als Online-Videos dokumentiert und im folgenden Text verlinkt. Weitere Materialien sind ebenfalls unter den angegebenen Links zu finden.

 

Impulsvorträge:

git2016-weisbandDie einführende Keynote hielt Marina Weisband von politik-digital e.V., die als frühere Politikerin der Piratenpartei bereits vielfältige Erfahrungen mit Partizipationsprozessen gesammelt hat. Sie arbeitet nun im Bereich politische Bildung und leitet das Projekt „aula – Schule gemeinsam gestalten“. Hier werden Jugendliche in die Gestaltung des schulischen Umfelds eingebunden, können kreative Ideen einbringen und in Abstimmung mit der Schulleitung Vorschläge realisieren. Auf diesem Weg sollen Möglichkeiten und Funktionsweisen der Demokratie praktisch erlernt werden.
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git2016-spaiserDr. Viktoria Spaiser von der University of Leeds präsentierte ihre Untersuchung zur politischen Online-Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Sie hatte das Verhalten verschiedener Jugendlicher in Deutschland untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass sich Jugendliche mit türkischem und arabischem Hintergrund besonders stärker online engagieren, was u.a. an den eigenen Diskriminierungserfahrungen aufgrund der Herkunft oder Religion liegt. Da die mediale Artikulation über klassische Medien schwer fällt, wird hierfür gerne das Internet genutzt.
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git2016-beranekProf. Dr. Angelika Beranek, die neue Professorin für Medienbildung an der Hochschule München, setzte sich mit Partizipation in der außerschulischen Jugendarbeit auseinander. Als Faktoren, die die Beteiligungsbereitschaft von Jugendlichen beeinflussen, bewertet sie u.a. die Bekanntheit eines Verfahrens, die Anbindung an das soziale Umfeld sowie die Umsetzungswahrscheinlichkeit der Entscheidungen. Die Einbindung medialer Tools wie YouTube, Minecraft, Actionbound oder von Gamification-Ansätzen kann die Attraktivität derartiger Verfahren erhöhen.
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git2016-dappDr. Marcus M. Dapp vom Institute for Public Information Management (TU München) erörterte die Bedeutung von offenen Daten für die Demokratie. Um aktiv an einer digitalen Gesellschaft teilhaben zu können, muss die vorhandene Neugierde von Jugendlichen kanalisiert und mit weiteren Kompetenzen angereichert werden. Dapp forderte ein intensivere Nutzung von offener Software, offener Hardware (wie Rasperry Pi und Fairphone) und offener Inhalte (z.B. „Open Educational Ressources“) sowie eine Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Lehr- und Lernformaten.
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git2016-karigIm abschließenden Mediensalon des Münchner Netzwerks Interaktiv beschäftigte sich der Journalist Friedemann Karig mit Propaganda, Fakes und Manipulationen in Online-Medien. Unter dem Titel „Die Abschaffung der Wahrheit“ präsentierte er u.a. das Beispiel der Grafikerin Zilla van den Born, die via Online-Medien eine Asien-Reise vortäuschte. Er spannte einen Bogen zu bewussten Falschaussagen und Propagandameldungen in der aktuellen Flüchtlingssituation und stellte dar, dass die Unterscheidung von wahren und gefälschten Meldungen oft nur schwer zu klären ist.
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Praxisimpulse:

Neben den Plenumsvorträgen wurden zahlreiche best-practise-Impulse präsentiert und Anregungen für die alltägliche Arbeit vor Ort geliefert:

Clemens Stolzenberg von der Bundeszentrale für politische Bildung berichtete über Projekte, um Potentiale des Social Web für die politische Bildung zu nutzen. Mit Webvideo-Experimenten wie „YouTuber gegen Nazis“ und „Begriffswelten Islam“ werden neue Möglichkeiten digitaler Bildungsformate erprobt (zu den Playlists).

Auch die Münchner Nemetschek Stiftung geht experimentelle Wege in der Demokratieerziehung: Dr. Ralf Nemetschek und Silke Zimmermann präsentierten das Serious Game „Utopolis – Aufbruch der Tiere“ und den Film „immer dienstags um fünf“, der im Rahmen des Projekts „Verabredung mit der Zukunft“ entstand (Website).

Mit Voraussetzungen und Werkzeugen für digitale Jugendbeteiligung beschäftigt sich der Deutsche Bundesjugendring. Michael Bandt und Tim Schrock stellten u.a. das Projekt „Ichmache>Politik“ vor und zeigten Online-Lösungen wie das ePartizipationstool des DBJR, das auch für Beteiligungsprojekte vor Ort adaptiert werden kann (zum e-Partool).

Über die aktuelle Problematik des Rechtspopulismus im Netz und mögliche Umgangsformen in der Jugendarbeit informierte Christina Dinar von der Amadeu Antonio Stiftung Berlin. Sie zeigte zahlreiche Beispiele, erläuterte Handlungsanregungen und verwies auf die Online-Angebote no-nazi.net und das Wiki neue-rechte.info (PDF-Handout).

Jürgen Ertelt von IJAB e.V. Bonn präsentierte das neue Projekt „jugend.beteiligen.jetzt“, das im Januar gestartet ist, und verwies auf Online-Tools zur Realisierung von Beteiligungsprozessen, beispielsweise die Portale Tricider und Open Doors sowie das IJAB betriebene Tool „Camper“ zur Organisation und Begleitung von Barcamps (Links).

Mit den Möglichkeiten und Chancen von YouTube für die Verknüpfung von Online-Partizipation mit Jugendarbeit beschäftigte sich Sonja Breitwieser vom Medienzentrum Parabol in Nürnberg. Ihr Projekt „laut! Nürnberg“ wurde um den Webvideo-Kanal „CiTyVee“ erweitert, um die Jugendbeteiligung vor Ort auf einem globalen Videoportal fortzuführen (Website).

Unter dem Slogan „Dein Klick ist unser Kick“ erläuterte Felix Hofmann vom Stadtjugendring Würzburg die Erfahrungen im Projekt „Stadtteil-Checker Würzburg“. Neben dem pädagogischen Ansatz, den verwendeten Online-Medien und konkreten Ergebnissen präsentierte er auch zahlreiche weitere Software-Lösungen für derartige Projekte (Workshop-Doku).

Regina Renner vom Bayerischen Jugendring beschäftigte sich auf theoretischer und analytischer Ebene mit der Entwicklung eines Praxisprojekts in der Jugendarbeit. Sie diskutierte mit den Teilnehmenden die Notwendigkeiten und Bedarfe vor Ort sowie Voraussetzungen für gelingende Jugendpartizipation und skizzierte ein neues Projektvorhaben des BJR (Website).

Das Potential von Jugendmedienkultur für gesellschaftliche Teilhabe beleuchtete Danilo Dietsch vom Q3.Quartier für Medien.Bildung.Abenteuer. Er nahm Formate wie Blogs, Audio- und Videoprojekten sowie Jugendmedienkampagnen unter die Lupe und erörterte an diesen Beispielen neue Beteiligungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für Jugendliche (Website).

Mit dem Einsatz von Games als Partizipationstools beschäftigte sich Ulrich Tausend vom JFF – Institut für Medienpädagogik, München. Insbesondere anhand des Spiels Minecraft stellte er heraus, wie neue Zielgruppen von Partizipationsprozessen durch adäquate Angebote erreicht werden können und wie digitale Spiele einem neuen Zweck zugeordnet werden können (Slides).

 

git2016 (2)Ein weiteres Angebot im Rahmen des Internettreffens war die Präsentation von Medienprojekten von und mit Kindern und Jugendlichen, die durch das Förderprogramm des Stadtjugendamts München und des Netzwerks Interaktiv unterstützt wurden. Alle Projektergebnisse sind im Dokumentations-Blog nachzulesen.

Nach zwei intensiven Veranstaltungstagen waren zahlreiche neue Inspirationen für eigene Praxisprojekte ausgetauscht und Hinweise auf mögliche Fallstricke diskutiert worden. Die Teilnehmenden können sicherlich viele Anregungen in ihre Arbeit vor Ort übernehmen.

 

Weitere Links zum 17. Internettreffen: