Das 24. Gautinger Internettreffen am 19. und 20. März 2024 beschäftigte sich mit der Frage, wie Partizipation und Demokratiebildung als medienpädagogische Aufgabe umgesetzt werden kann. Auf dieser Seite finden Sie Präsentationen, Fotos und Infos von der Tagung.
Teilhabe und Teilgabe fördern. Inter- und transdisziplinäre Perspektiven auf Medien- und Demokratiebildung (Prof. Dr. Katrin Schlör, Evang. Hochschule Ludwigsburg)
Prof. Dr. Katrin Schlör blickte zu Beginn in die Teilhabe- und Partizipationskonzepte der letzten Jahrzehnte zurück und wie sich die Zugänge und Teilhabemöglichkeiten in den letzten Jahren veränderten.
Derzeit sind gerade in den Sozialen Medien rechte Position wie von der AfD besonders reichweitenstark.
Prof. Dr. Schlör stellte die aktive Medienarbeit als lebensweltorientiertes Instrument der Medienkompetenzförderung sowie der Demokratiebildung und -Förderung heraus. Die Ziele der aktiven Medienarbeit (Mündigkeit, Emanzipation und authentische Erfahrungen) können auch als Schlüssel für die Förderung von Teilhabe und Teilgabe gesehen werden.
Abschließend betonte Schlör, wie sehr Medienbildung und Demokratiebildung als grundlegende (medien-)pädagogische Aufgaben zusammenhängen. Partizipation bringt neben vielen Rechten, auch die Pflicht mit dieser Macht verantwortungsbewusst umzugehen.
Jugend & Politik: Digitale Zugänge zu politischen Informationen aus jugendlicher Perspektive (Laura Lang & Rebecca Nitschke, Freiwilligendienst Kultur und Bildung im SIN, und Tara Stadtmüller, Praktikum in der medienBox des RBS München)
Die drei jungen Speakerinnen gaben uns teilweise sehr persönliche Einblicke in ihre Berührungspunkte mit politischen Inhalten und Informationen, denen sie in ihrem Alltag begegnen.
Darunter fallen natürlich Posts auf Sozialen Netzwerken wie TikTok und Instagram und das Internet allgemein. Aber auch konkrete Inhalte wie Musik und deren Songtexte oder Sounds bei TikTok, die politisch konnotiert sein können.
Des Weiteren wurde auch die Schule als Ort der politischen Bildung thematisiert. Die Ausprägung in dieser Form hinge aber viel von der jeweiligen Schule und ihrer Umgebung, der Schulart und nicht zuletzt den Lehrkräften ab.
Als Partizipationsmöglichkeiten stellten Lang, Nitzschke und Stadtmüller Benachrichtigungen und Unterstützung zu Demo- und Petitionsaufrufen über Social Media sowie Mitgliedschaften in Jugendparlamenten und Parteien heraus.
Linkliste zu politischen Info-Kanälen im Netz
Alles politisch oder was? Über Reichweiten, Grenzen und (mögliche) Synergien von politischer Bildung und Medienpädagogik (Prof. Andreas Büsch, Katholische Hochschule Mainz)
Prof. Andreas Büsch verglich die verschiedenen Ansätze und Definitionen der Medienpädagogik mit denen der politischen Bildung und stellte dar, wie durch beides ethische Lernen erfolgen kann. Büsch analysierte daraus, wie die die Medienkompetenzvermittlung ebenso die Wertevermittlung fördert.
Abschließend ging Büsch die daraus resultierenden Aufgaben und Herausforderungen für die Medienpädagogik durch: Kinder und Jugendliche (auch spielerisch) aufzuklären, auch in de-konstruierten Settings, Beziehungsarbeit in den jeweiligen Lebenswelten und Milieus zu leisten, Zeit zu nehmen, (eigene) Haltung zu entwickeln und auch politisch(er) zu werden. Hier kann auch der Schulterschluss zur politischen Bildung sinnvoll erfolgen.
Vom Konzept über die Gruppenarbeit bis zum Tool: Partizipative Ressourcen von Jugendarbeit in der Digitalität (Dr. Eike Rösch, Radarstation, Schweiz)
Für Dr. Eike Rösch bietet der Wandel in der digitalen Kinder- und Jugendarbeit großes Potenzial, Partizipation zu ermöglichen. Von den Leitlinien für die Jugendarbeit (Freiwilligkeit, Lebenswelt, Partizipation) im analogen ausgehend, lassen sich diese auch in die digitalen Räume übertragen.
Die Sozialräumlichkeit als zentraler Begriff, der die Betrachtung unter den Bedingungen der Digitalität ermöglicht.
Die Bausteine für eine Jugendarbeit als Werkstatt für Sozialräume sind Beziehungsaufbau und -pflege, Experimentierräume sowie Reflexionsanlässe bieten. Das heißt für die Partizipation, dass Jugendliche die (digitalen) Räume bestimmen, deren Aneignungsprozesse im Mittelpunkt der Jugendarbeit stehen, die Lebenswelt der Jugendlichen damit noch mehr in den Fokus rückt und noch weniger „einfach beobachtet“ werden kann.
Auf die Praxis bezogen, ist Medienpädagogik somit die Ergänzung, bestehende Angebote können durch eine Mediatisierung integriert werden, aber auch Angebote und Organisationen sollten weiterentwickelt werden. Dies könnte in Form von Social Media-Redaktionsgruppen, in der Jugendinformationen oder auch in Kampagnenarbeit erfolgen.
Die Sozialraumanalyse als bewährter Ansatz im analogen Raum sollte die Hybridität wahrnehmen, um entsprechende Angebote und Aufgaben weiterzudenken.
Als Fazit sieht Rösch „das Digitale“ oder „das Tool“ an sich keine Veränderung bringt. Die Integration des Digitalen lässt sich jedoch nutzen, um die Prinzipien der Jugendarbeit neu zu stärken, gerade auch im Hinblick auf Partizipation.
Antirassismusarbeit im digitalen Raum. Positive Botschaften für Vielfalt und rassismuskritische Strategien für Fachkräfte (Ansgar Drücker, Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit e. V., Düsseldorf)
Ansgar Drücker stellte zu Beginn heraus, dass Rassismus kein Begriff im deutschen Recht ist, allerdings über diverse Vergehen ins juristische gebracht wird.
Das Wissen auch die Plattformen. Die Hoffnung, dass marginalisierte Gruppen über digitale Medien und Netzwerke eine größere Sichtbarkeit bekommen, wurde in den letzten Jahren eher geschmälert.
Der Versuch besteht, die digitalen Räume vor anti-demokratischen Strömungen und Inhalten zu schützen, ohne das demokratische Potential einzuschränken.
Drücker legte die Grundmuster der antidemokratischen Haltungen wie folgt dar und lieferte abschließend auch die passenden Reaktionen auf dieses Vorgehen:
Es wird eine düstere Zukunft, ein drohendes Szenario aufgeworfen, diese können mit systemischen Fragen nach den individuellen Befürchtungen und Problemen konkretisiert und benannt werden.
Etablierten Autoritäten werden als Feindbild angesehen, was mit mehr Einblick in die Arbeitsalltag von verschiedenen Berufsgruppen sowie mit größerer Transparenz über Entscheidungs- und Kompromissfindungen angegangen werden könnte.
Dass die eigene Gruppe als ungerecht behandelt oder diskriminiert dargestellt wird, könnte mit der Anerkennung berechtigter Sorgen und Missstände – ohne Einbezug des Opfermythos, geschmälert werden.
Wenn Fakten nicht anerkannt und Wahrnehmungen bevorzugt werden, könnte die kritische Auseinandersetzung mit Informationen und das Sensibilisieren für Fake News helfen.
Die Forderung nach utopische Idealvorstellungen könnte mit dem Herausarbeiten geteilter Werte und Ideale begegnet werden.
Die Darstellung, dass die jeweilige Gegenbewegung eine Gemeinschaft mit individuellen Vorteilen schafft, könnte mit den Angeboten nach alternativen Gruppenerlebnissen und Erfahrungen entgegenwirkt werden.
Weitere Materialien
- Die extreme Rechte in Wandel – Ideologie, Akteur:innen, Themenfelder:
Präsentation von Florian Rieder, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern – Büro Süd - Jugendliche als Expert*innen ihrer Lebenswelt:
Präsentation von Markus Gerstmann, ServiceBureau Jugendinformation, Bremen - Der Kita-Stadtteil-Koffer – Kinder entdecken und gestalten ihren Stadtteil:
Flipcharts und Infoblatt von Renate Thellmann und Veronika Harth, Referat für Bildung und Sport der LH München, Geschäftsbereich KITA - Kinder- und Jugendpartizipation im Projekt laut! Nürnberg:
Präsentation von Sonja Breitwieser, Medienzentrum Parabol, und Jonas Schmudlach, Kreisjugendring Nürnberg-Stadt - Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen. Medienpädagogische Praxisbeispiele aus dem Bereich Bühne & Bewegtbild:
Präsentation von Thomas Kupser, JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, München - Democracy Gym. Medienbildung und Demokratiekompetenz Hand in Hand:
Broschüre von Medien und Bildung RLP, Ludwigshafen - Digibox – Material-Boxen vom Wiener Bildungsserver: Projektseite
- Fach- und Servicestelle für Kinder und Jugendbeteiligung in Bayern (KiJuBa): Website
- „Happy Birthday, Grundgesetz!“: Videogrüße, die tagungsbegleitend aufgenommen wurden
BARCAMP: „Partizipation und Demokratiebildung in der Praxis„
Ergebnisse aus einigen Barcamp-Sessions, stichpunktartig dokumentiert:
- KI und Jugendbeteiligung: Chancen und Grenzen
- Möglichkeiten zur Konsensfindung
- Politische Bildung mit Jugendlichen – einengende Absicht?
- Trollwerkstatt gegen Verschwörungsmythen
- Umgang mit Rechtspopulismus unter Jugendlichen
- Zunehmendes Gewaltpotential in der Gesellschaft