Stimmige Konzepte statt blinder Technikeuphorie:
Über die Gelingensbedingungen digitaler Bildung

„Medienbildung? Ja, aber richtig“: Auf diese Formel lässt sich die Diskussion des 19. Gautinger Internettreffens vielleicht reduzieren. Die dreitägige medienpädagogische Fachtagung trug einen komplexen Titel: „Digital ist besser!? Goldene Zeiten für Medienpädagogik, oder: Der Hype um digitale Bildung“.

Mehr als 130 Teilnehmende und Referierende setzten sich mit der Frage auseinander, wie die derzeitigen Trendbegriffe #digitaleBildung und #Medienkompetenzvermittlung sinnvoll ausgefüllt und umgesetzt werden können. Es herrschte Einigkeit darüber, dass der Einsatz und die Thematisierung digitaler Medien in der Bildung nötig, ja unumgänglich sind. Über optimale Rahmenbedingungen, wichtige Inhalte, passende Konzepte und konkrete Vorgehensweisen wird noch gerungen. Unumstritten ist aber, dass gute Technik alleine noch keine gute Bildung garantiert, sondern dass das Gesamtkonzept vor Ort passen muss.

Beim Internettreffen wurde in Form von Vorträgen und Praxisimpulsen erörtert, welche unterschiedlichen Ansätze derzeit in der pädagogischen Praxis realisiert werden und welche neuen Konzepte und Modelle zum Einsatz kommen. Die Veranstaltung widmete sich verschiedenen Bildungsbereichen: Am ersten Tag ging es um das Lernen im Elementarbereich, am zweiten Tag standen Schule und Jugendarbeit im Mittelpunkt und am dritten Tag rückten Studium und berufliche Bildung in den Fokus.

Das Internettreffen findet jährlich statt, die 19. Ausgabe vom 12. bis 14. März 2018 wurde veranstaltet von der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Institut für Jugendarbeit Gauting, dem Referat für Bildung und Sport der LH München/Pädagogisches Institut und dem SIN – Studio im Netz.

Tag 1: Lernen im Elementarbereich

Dr. Christine Feil, Medienpädagogin, ehem. Deutsches Jugendinstitut, München
Digitale Kindermedien: Apps und Websites im Vorschulalter

Christine Feil stellte in ihrem Vortrag den aktuellen Stand des Medienzugangs und der Medientätigkeiten von Kindern, insbesondere im Vorschulalter, dar. Zudem warf sie einen Blick auf das Angebot altersgerechter Webseiten und Apps und beleuchtete deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Ihrer Meinung nach kann noch nicht von einem Durchdringen des Alltags der 3- bis 5-Jährigen mit digitalen Medien gesprochen werden. (Präsentation)

Jörg Kratzsch, Servicestelle Kinder- und Jugendschutz, Magdeburg
Kindheit = Medienkindheit. Und nun?

Jörg Kratzsch widmete sich der Frage, wie Medienpädagogik in der frühkindlichen Pädagogik gelingen kann. Er betrachtete u.a. die Entwicklung adäquater Modelle für die Frühpädagogik, die Forderung nach Qualitätsstandards und die benötigte Ausstattung. Seiner Meinung nach fehlt es pädagogischen Fachkräften oft an nötigem Hintergrundwissen für eine frühkindliche Medienerziehung. Ohne angemessene Würdigung des Elementarbereichs im Allgemeinen könne es keine angemessene Medienpädagogik geben, daher forderte er eine gezielte Förderung dieses Bereiches. (Präsentation)

Christiane Brehm-Klotz, Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München, Pädagogisches Institut
KoMMBi – Konzept Münchner Medienbildung für Kindertageseinrichtungen

Das Pilotprojekt KoMMBi („Konzept Münchner Medienbildung“) wird vom Pädagogischen Institut des Münchner Bildungsreferats in Schulen und Kindertageseinrichtungen durchgeführt. Christiane Brehm-Klotz gewährte Einblicke in das Kita-Teilprojekt, das auf drei Säulen beruht: Technik (z.B. Basisausstattung der Einrichtungen), (Medien-)Pädagogik (z.B. durch Medienpädagogik-Beauftragte) und Qualifizierung (z.B. durch Basisqualifikation der Einrichtungen). Während des gesamten Projektes werden die Kindertageseinrichtungen durch das PI begleitet, beraten und betreut. (Präsentation)

Dr. Hans Eirich, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration
Zentrum für Medienkompetenz in der Frühpädagogik, Amberg

Dr. Hans Eirich informierte über das „Zentrum für Medienkompetenz in der Frühpädagogik“, das 2018 in Amberg eröffnen wird. Es unterstützt u.a. den bayerischen Modellversuch „Medienkompetenz in der Frühpädagogik stärken“. Die Arbeitsschwerpunkte des neuen Zentrums liegen in der Entwicklung von E- und Blended-Learning-Angeboten für Eltern und Fachkräfte, in der Erstellung und Pflege von Online-Plattformen sowie der Erarbeitung von passgenauen Angeboten für Kinder zur Stärkung der Medienkompetenz. (Präsentation)

Kirsten Mascher, Medienkulturzentrum Dresden
Showcase „Deutscher Multimediapreis mb21, der Kreativwettbewerb für alle bis 25 Jahre“

Im Abendprogramm gewährte Kirsten Mascher Einblicke in den Kreativwettbewerb „mb21“, der sich als Forum für digitale Medienkultur versteht. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene können hier digitale, netzbasierte, interaktive und crossmediale Projekte einreichen. Zum Abschluss findet jährlich im November ein Medienfestival in Dresden statt. (Präsentation)

Praxisimpulse

  • Mit Medienbildung im Vorschulbereich beschäftigte sich Christine Aumiller (Haus für Kinder Schussenrieder Straße, München). Sie stellte einige Apps und Projektideen vor, um die Kinder „startklar für die Schule“ zu machen. (Präsentation)
  • Mit den Anforderungen „neuer“ Medien in den Bereichen Erziehung, Bildung und Betreuung setzte sich Jörg Kratzsch (Servicestelle Kinder- und Jugendschutz, Magdeburg) im Anschluss an seinen Vortrag auseinander.
  • Kreativ-Apps zum Storytelling und zur Produktion von Animationsclips mit Hortkindern präsentierte Sabine Ritz (Kindertagesstätte Hermann-Gmeiner-Weg, München).
  • Die Methoden „Let’s Draw“ und „Stop Motion“ wurden von Sonja Di Vetta (SIN – Studio im Netz, München) unter dem Motto „Male deine Welt“  vorgestellt. (Präsentation)

Tag 2: Lernen in Schule und Jugendarbeit

Dr. Katrin Valentin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Digitale Bildung als Herausforderung für Schule und Kinder- und Jugendarbeit

Dr. Katrin Valentin ging in Ihrem Vortrag auf die Möglichkeiten und Schwierigkeiten ein, die im Zusammenhang mit der digitalen Transformation in Schule, Kinder- und Jugendarbeit auftreten. Sie beschrieb verschiedene Möglichkeiten, um mit diesen Herausforderungen umzugehen: Es müssten neue Konventionen und Handlungsschemata ausgebildet und innovative pädagogische Konzepte für digitale Bildung entwickelt werden. (Präsentation)

Dr. Vera Haldenwang , ISB – Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, München
Digitale Bildung mit Konzept

Die bayernweite Medienkonzept-Initiative stand im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. Vera Haldenwang. Alle bayrischen Schulen sind derzeit dazu aufgerufen, ein eigenes Medienkonzept zu erarbeiten, das u.a. ein Mediencurriculum, eine Fortbildungsplanung und einen Ausstattungsplan enthalten. Das zentrale Ziel ist es, alle Schüler*innen dazu zu befähigen, sich eigenständig, kreativ und verantwortungsvoll mit der Digitalisierung auseinandersetzen und diese aktiv mitzugestalten. (Präsentation)

Dr. Sonja Moser und Christine Debold, Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München, Pädagogisches Institut
KoMMBi – Konzept Münchner Medienbildung für Schulen

Die schulische Komponente des Pilotprojekts KoMMBi („Konzept Münchner Medienbildung“) präsentierten Dr. Sonja Moser und Christine Debold vom Pädagogischen Institut München. Die beteiligten Schulen sollen bis Juni 2018 ihre Ziele umsetzen und ein eigenes medienpädagogisches Projekt realisieren. Moser und Debold fordern mehr Raum für Beteiligung und Eigenverantwortung der Schüler*innen und mehr „Mut zur Veränderung“. (Präsentation)

Prof. Dr. Judith Ackermann, Fachhochschule Potsdam
Gaming in der Bildung: Potentiale zwischen Game-Based-Learning, Serious Games und Gamification

Die Verbindung von digitalem Spielen und Lernen stellte Prof. Dr. Judith Ackermann in Ihrem Vortrag vor. Sie erklärte das Prinzip der Gamification, das den Einsatz spielerischer Prinzipien in Lernprozessen ermöglicht. Es gibt derzeit Millionen Spiele, die sich als „Serious Games“ bezeichnen lassen können, doch Ackermann betonte, dass hier eine Qualitätskontrolle sehr wichtig sei. Gute Spiele könnten zur Vermittlung von Inhalten (z.B. Depressionen) beitragen und so für Angehörige und Betroffene nützlich sein. (Präsentation)

Matthias Thanos, Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Bonn, und Manuel Manhard, machina cogitans, Augsburg
Digitale Spiele als Methode der politischen Bildung

Wie sich Games in der politischen Bildung einsetzen lassen, legte Matthias Thanos von bpb dar. Er erläuterte das Konzept des „bpb:game jam“, bei dem Serious Games zu einem vorgegebenen Thema (z.B. Flucht und Vertreibung) entwickelt werden. Im Anschluss daran stellte Manuel Manhard von machina cogitans das dort entwickelte Spiel „Moderate Cuddlefish“ vor, das Meinungsfreiheit und Hate-Speech im Netz thematisiert. (Website)

Julia Althoff, MESH Collective und Simon Köhl, Serlo.org
Online Interactive Education. Zeitgemäße Formen der Wissensvermittlung

Neue Ansätze zur Vermittlung von Wissen und zur (politischen) Bildung wurden am Abend im Rahmen eines Interaktiv-Mediensalons vorgestellt:

Simon Köhl präsentierte die freie Wissensplattform Serlo.org, die das Ziel verfolgt, zur „Wikipedia des Lernens“ zu werden. Die non-profit-Organisation „Serlo Education“ entwickelt seit 2009 die kostenlose Lernplattform, die Lernvideos, Kurse, Übungsaufgaben und Musterlösungen enthält. (Präsentation)

Julia Althoff leitet das Projekt MESH Collective des UFA-Lab in Berlin. Sie möchte junge Menschen zur politischen Teilhabe bemächtigen und anspruchsvolle Inhalte im Social Web platzieren. Ihre Inhalte beweisen „Mut zur Haltung“ und zeigen, dass Bildung bei YouTube funktionieren kann. (Präsentation)

Praxisimpulse

  • Kreative Hypertext-Adventure-Games lassen sich mit Hilfe des Open-Source-Tools Twine erstellen. Christoph Kaindel (mediamanual.at, Wien) lieferte in seinem Workshop einen Einstieg in eigene „TextSpielReisen“. (Präsentation)
  • Der Medienführerschein Bayern wurde von Lina Renken (Stiftung Medienpädagogik Bayern, München) vorgestellt. Sie gab Einblicke in die kostenlosen Materialien, die für Schulen und die außerschulische Jugendarbeit zur Verfügung stehen. (Website)
  • Mit kreativen Gestaltungsmöglichkeiten für  Virtual und Augmented Reality befasste sich Ulrich Tausend (JFF – Institut für Medienpädagogik, München). Er präsentierte das hierfür erstellte Tool CoSpaces Edu.
  • Anregungen für Robotik-Workshops in der Grundschule lieferte Gilberto Vergara (Robotic for kids, München). Bei seinem Workshop konnten die Teilnehmenden kleine Übungen in der Welt der Roboter umsetzen. (Website)
  • Ideen für mobile digitale Medienbildung stellten Katja Bröckl-Bergner und Christiane Winter (digital2school, München) vor. Sie informierten über ihr Konzept eines Digitalbusses für Bayern. (Website)
  • Stellen Tablets in der Grundschule eine sinnvolle Ergänzung oder eine sinnfreie Spielerei dar? Dieser Frage widmete sich Verena Knoblauch, die an der Friedrich Staedtler Grundschule Nürnberg eine Tabletklasse leitet.
  • Das Online-Spiel Moderate Cuddlefish zu Meinungsfreiheit und Hate-Speech im Netz wurde von Manuel Manhard (machina cogitans) und Matthias Thanos (bpb) präsentiert. Die Teilnehmenden konnten das Spiel testen und anschließend didaktische Einsatzszenarios entwickeln. (zum Spiel)
  • Wie lassen sich digitale Spiele in die Realität übertragen? Lukas Opheiden (Stadtbibliothek Minden) gestaltete einen Workshop zur Entwicklung von Game-basierten Gruppenspielen (u.a. nach Ideen von Fire Hazard Games) und präsentierte Methoden wie das Gaming-ABC.
  • Zudem wurden Projektergebnisse aus dem Förderprogramm „Vernetzte Bildung, neu gedacht“ vorgestellt. In diesem Rahmen werden vom Stadtjugendamt München und dem Netzwerk Interaktiv Medienprojekte von und mit Kindern und Jugendlichen in München unterstützt. (Website)

Tag 3: Studium und berufliche Bildung

Vertr. Prof. Dr. Marion Brüggemann, Universität Hamburg
Medienpädagogische Kompetenzen für die berufliche Bildung!? Betriebliches Ausbildungspersonal unter dem Druck der Mediatisierung

Brüggemann informierte in ihrem Vortrag über ein Forschungsprojekt zu digitalen Medien in der betrieblichen Berufsbildung. Die Auszubildenden sind im Berufsalltag häufig mit digitalen Medien konfrontiert, in den Prüfungen und in der Ausbildung spielen sie hingegen nur eine geringe Rolle. Brüggemanns Fazit lautet, dass weitere Entwicklungen v.a. in der Mediendidaktik, aber auch in der Medienintegration und Medienerziehung notwendig sind.

Prof. Dr. Sven Kommer, RWTH Aachen & Initiative „Keine Bildung ohne Medien“
Digitale Bildung – Next Hype by Media?

Die Entwicklung des Medieneinsatzes in der Bildung wurde von Sven Kommer dargestellt. Er analysierte, dass die Forderungen der letzten Jahrzehnte oft die gleichen geblieben sind und in der Medienbildung, besonders im schulischen Kontext, leider kein großer Fortschritt erzielt wurde. Anstelle des „technikeuphorischen Hypes“ in der Bildungsdiskussion seien mehr konzeptionelle Anstrengungen im Bereich der Mediendidaktik, der Aus- & Weiterbildung nötig. (Präsentation)

Sebastian Jabbusch, Social-Media-Berater & Creative Technologist
Buchdruck, Elektrifizierung, Social Media: Den Kontrollverlust leben statt bekämpfen. Ein Ausblick.

Zum Tagungsabschluss warf Sebastian Jabbusch einen Blick aus nicht-pädagogischer Perspektive auf das Thema. Er forderte pädagogische Fachkräfte dazu auf, die eigene Rolle zu verändern und neue Beziehungen zu Kindern und Jugendlichen aufzubauen. Pädagog*innen sollten Netzwerke schaffen, bereits bestehende Communities in den Blick nehmen und einen Raum für die Belange und Ideen der Heranwachsenden schaffen, um für die Jugend attraktiv zu bleiben.

Praxisimpulse

  • Mit dem Einsatz von Peer-Learning und digital ergänzten Lernarrangements an Hochschulen setzte sich Prof. Dr. Annette Eberle von der Katholischen Stiftungsfachhochschule München auseinander.
  • Die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft betrachtete Ludwig Maier (Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik beim DGB Bayern). Er thematisierte die Herausforderungen für die Auszubildenden im digitalen Umfeld. (Präsentation)
  • Aus ihren Erfahrungen mit E-Learning in der beruflichen Praxis berichteten Dieter Metzmann und Amir Gracic, die an der Städtischen Berufsschule für Informationstechnik in München mit verschiedenen Online-Tools arbeiten. (Präsentation)

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