Mit Games die Bildung und Jugendarbeit bereichern:
Infos und Materialien vom 23. Gautinger Internettreffen am 21. und 22. März 2023

Wie können Computerspiele in der Bildung und Pädagogik eingesetzt werden? Welche Ansätze für eine kreative Medienarbeit mit Games gibt es? Und welche technischen Entwicklungen zeichnen sich gerade ab? Diesen und weiteren Fragen ging das 23. Gautinger Internettreffen am 21. und 22. März 2023 nach.

Das Internettreffen wurde auch in diesem Jahr als hybride Tagung angeboten. Veranstaltet wurde es vom Institut für Jugendarbeit in Gauting, dem Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München und dem SIN – Studio im Netz.

Begrüßung

Eröffnet wurde die Tagung durch Lorena Weik (Referentin für Medienpädagogik, Institut Gauting), Dr. Sonja Moser (Leitung des Fachbereich Medienpädagogik, Pädagogisches Institut – Zentrum für Kommunales Bildungsmanagement) und Björn Friedrich (Geschäftsführer, SIN – Studio im Netz e.V.). Eine Besonderheit in diesem Jahr war, dass es neben den analogen Tagungsräumen in Gauting zusätzlich ein virtuelles Tagungshaus gab, das bei XR Hub Bavaria besucht werden konnte. Zudem wurde ein tagungsbegleitendes Spiel gestartet, bei dem die Teilnehmnenden einige Rätsel zu lösen hatten.

Prof. Martin Geisler, Ernst-Abbe Hochschule Jena: Nutzergenerierte Inhalte der Gaming-Community – Potentiale unangeleiteter, informeller Kreativformen

Prof. Martin Geisler widmete sich in seinem Vortrag dem Mehrwert von Spielen und ging der oft gestellten Frage nach, ob das Spielen nutzfrei sei und allein dem Vergnügen dient. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Spielen autotelisch ist. Das bedeutet, das Spiel dient dem Spiel im Sinne eines Selbstzweckes, auch wenn es sicherlich schön ist, was wir als (Medien-)Pädagog*innen bzw. die Spielenden darüber hinaus damit machen. Denn auch ohne formelle und non-formelle Bildungsansätze entwickeln sich um das Spiel Szenen, Kommunikationsräume, soziale Dynamiken und zahlreiche kreative Ausdrucksformen (user generated content, z.B. Cosplay, Streaming/ Let’s Play, LARP). Unsere Aufgabe als Fachkräfte ist es demnach, genauer hinzusehen (z.B. Lernen kann auch Erfahren bedeuten), Dinge zuzulassen (z.B. die Aneignung von Welt über das Spiel) und zu hinterfragen (z.B. Anregung zu mehr aktiver Auseinandersetzung mit und über das Spiel) und am Ende auch einfach mitzuspielen (z.B. Lernformen im spielerischen Kontext haben Konsequenzen für den intendierten Lerneffekt und den Spielannteil; wir dürfen nicht die Welt entzaubern, in dem wir alles erforschen).

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Prof. Friederike Siller, Technische Hochschule Köln: Right to Play – Ein kinderrechtlicher Blick auf Spielen im digitalen Umfeld

In den letzten Jahren haben Debatten über die Rechte von Kindern im digitalen Umfeld zugenommen. Prof. Friederike Siller machte in ihrem Vortrag deutlich, dass die Kinderrechte auch online uneingeschränkt gelten – gemäß der UN Kinderrechtskonvention, Nr. 25, in der das Recht von Kindern im digitalen Umfeld zugesichert ist. Übertragen auf das Kindeswohl bedeutet das vor allem, dass der Schutz, die Befähigung und die Teilhabe von Kindern in einem wechselseitigen, gleichrangigen Verhältnis zueinander stehen müssen. Auch die Qualität des Spiels ist für die kindliche Entwicklung ein essentieller Faktor, den es zu berücksichtigen gilt. Doch wie kann unsere Gesellschaft darauf angemessen reagieren? Wichtig ist, dass wir als Erwachsene verstehen, dass digitales Spielen wichtig ist und nicht übergangen werden darf. Denn fest steht, dass die Kinderrechte im digitalen Umfeld bspw. durch das Design von Speilen beschränkt oder bestärkt werden können. So können digitale Spiele ein fruchtbares Feld für die kulturelle Teilhabe oder soziale Gerechtigkeit darstellen, sie können faire Zugänge schaffen und gerechte Bildungschancen ermöglichen.

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Ines Hensch, Kompetenzzentrum für digitales Lehren und Lernen der Universität Augsburg: Gamifi… what??

Wie können digitale Spiele im schulischen Kontext, aber auch in der Jugendarbeit und der Freizeit eingesetzt werden? Und welche Potentiale und Grenzen ergeben sich für das Lernen? Diesen Fragen ging Ines Hensch in ihrem Vortrag nach, als sie die zentralen Merkmale des (digitalen) Spielens und deren verschiedenen Formen herausstellte. Dabei wurde deutlich, dass sich bei der Lernwirksamkeit durch Games durchaus positive Effekte zeigen, wenn bspw. klare persönliche Ziele, adaptive Inhalte, eine Playability und Feedbacks gegeben sind. Spiele sollten nicht als Belohnung für das Durcharbeiten von Lernstoffen angesehen werden, sondern unter Berücksichtigung der Spielformen (z.B. Serios Games, Gamification) sollten Spielmechanismen, individuelle Voraussetzungen der Lernenden sowie didaktische und technische Settings angepasst werden. Abschließend riet Hensch dazu, nichts zu „gamifizieren“, was von Natur aus Spaß macht.

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Prof. Jochen Koubek, Universität Bayreuth: Zukünfte des Gaming. Eine kritische Betrachtung aktueller Trends und Buzzwords

Prof. Jochen Koubek sprach über aktuelle Gaming-Hypes und mögliche Entwicklungslinien für die Zukunft. Besonders in den Fokus genommen wurden dabei Entwicklungen wie das Metaverse, Virtual und Augmented Reality, Cloud Gaming und Künstliche Intelligenz. Als Zukunftsprognose wagte Kobuek die Einschätzung, dass der Markt weiter wachsen und es mehr Zusammenschlüsse großer Firmen geben werde. Die KI-Entwicklungen werden auch den Gaming-Bereich beeinflussen, insgesamt sei mit einer kontinuierlichen Verbesserung der technischen Möglichkeiten (auch im visuellen und spielmechanischen Bereich) zu rechnen. Zudem befürchtet er eine hybride Monetarisierung, eine weiterhin massive Franchise-Vermarktung großer Titel sowie zahlreiche Remakes und Reboots, die sich als sichere Einnahmequelle erwiesen haben.

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Hendrik Lesser, Remote Control Productions, und Christian Schiffer, Bayerischer Rundfunk: Digitale Spiele – mehr als Pop und Kommerz?

Hendrik Lesser beleuchtete in seiner Keynote die Umsätze und die wirtschaftliche Bedeutung der Videospiel-Branche. Bei der anschließenden Diskussion wurden gemeinsam mit Christian Schiffer einige Aspekte vertieft, z.B. die Frage nach der Monetarisierung von Games und um die Bedeutung von free2play-Spielen, In-Game-Käufen und Lootboxen. Lesser verwies darauf, dass diese Micropayments den Spielenden eine faire Möglichkeit bieten, ein Budget ihrer Wahl in ein Spiel zu investieren, anstatt viel Geld auf einmal für ein teures Spiel auszugeben. Er betonte außerdem, dass die Branche nicht am Taschengeld von Kids interessiert sei, sondern ihr Geld v.a. mit erwachsenen Spieler*innen verdiene. Christian Schiffer war hingegen der Meinung, dass Spiele mit Lootboxen erst ab 18 Jahren gespielt werden sollten, da ein Glücksspiel-ähnliches Spieldesign zu beobachten sei, das für einige Minderjährige zur Kostenfalle werde. Einig waren sich alle, dass der Jugendmedienschutz EU-weit einheitlich geregelt sein sollte und z.B. der deutsche Sonderweg bei Altersfreigaben wenig hilfreich ist.

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Praxisimpulse

In insgesamt zehn Praxisimpulsen wurden Anregungen für die alltägliche medienpädagogische Arbeit vermittelt:

„Ausbruch in der Klötzchenwelt“: Wie die Mincraft Education Edition für Bildungszwecke genutzt werden kann, wurde von Christoph Kaindel (Wiener Bildungsserver) beleuchtet. (PDF)

„Suchtprävention im Kontext von Medienpädagogik“: Tanja Orta und Mel-David Tersteegen (Condrobs e.V.) präsentierten Methoden und Ansätze für die Arbeit mit Jugendlichen. (PDF)

„Spielraum Fiktion“ – diesem Motto hatte sich der Praxisimpuls von Waldritter e.V. (Köln) verschrieben. Christiane Frantzke und Peter Gotthardt vereinten Medien- und Erlebnispädagogik.

„Empowerment in Games“: Wie kann Inklusion mit Games gelingen, welche Ressourcen können hier erschlossen werden? Dieser Frage ging Stephanie Rifkin (Digital Streetwork Bayern) nach.

„Lernspiele selbst erstellen“ – passende Tipps, Tricks und Tools präsentierten Johanna Beier (PI-ZKB München) und Sonja di Vetta (SIN – Studio im Netz) in ihrem Praxisimpuls. (PDF)

„InGame – Medienbildung mit digitalen Spielen“: Dieses Projekt wurde von Bastian Krupp (TH Köln), Michael Gurt und Nils Astrath (JFF – Institut für Medienpädagogik, München) vorgestellt. (PDF)

„Kompetitive Gaming- und e-Sport-Events in der Jugendarbeit“: Veit Hartung vom Medienzentrum Parabol Nürnberg teilte seine Erfahrungswerte mit und lieferte neue Ideen. (PDF)

„Games-Journalismus in der Jugendarbeit“: Linda Scholz und Daniel Heinz (Spieleratgeber NRW, Köln) präsentierten Anregungen, um Jugendliche in redaktionelle Arbeiten einzubinden. (PDF)

„Østerskov: Learning through Play“: Esben Harboe (Østerskov Efterskole, Denmark) stellte den Ansatz vor, bei dem Schüler*innen in (Rollen-)Spielen neue Universen erkunden und Unterrichtsinhalte erlernen.

„Unverpixelter Hass – toxische und rechtsextreme Gaming Communities“: Mick Prinz (Amadeu Antonio Stiftung, Berlin) gab Empfehlungen für einen couragierten Umgang. (PDF)

Weitere Programmpunkte

Niels Boehnke von der Stiftung digitale Spielekultur stellte die Initiative „Stärker mit Games“ vor, die den Einsatz digitaler Spiele in der kulturellen Bildung unterstützt. Die Initiative schließt Bündnisse mit lokalen Partnern, um Maßnahmen mit sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen durchzuführen. Als Maßnahmen können regelmäßige Kurse und Ferien-Workshops angeboten werden. (PDF)

Das Abendprogramm am ersten Veranstaltungstag stand unter dem Motto Let’s Play! Hier präsentierte Bianca Hartmannn ihr educational Game “A Day in my Life“, Oliver Reynolds vom Videospielkultur e.V. aus München stellte einige empfehlenswerte Videospiele vor. Zudem präsentierten die Waldritter ein LARP und wir vom SIN ließen die Teilnehmenden mit dem Game-Creation-Tool Cand.li experimentieren.

Fotos von der Tagung

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